Pech & Pannen, aber Jörg Richers ist im Ziel!
Nach 105 Tagen, 23 Stunden, 35 Minuten und 22 Sekunden,
in denen 23.321 Seemeilen zurückgelegt wurden,
schleppte sich die „Renault Captur“, das Boot von Jörg Riechers (46) und Sebastian Audigane (47), bei fast-Flaute über die Ziellinie des Barcelona World Races – kurz BWR genannt.
Jörg Riechers ist der bislang einzige Deutsche Skipper, der...
... am BWR teilgenommen hat. Vor allem die Franzosen hatten bislang diese Langstreckenrennen dominiert.
Riechers wird in 2016 an der „Vendèe Globe“ teilnehmen, der härtesten Einhand-Nonstop-Regatta um die Welt, und er betrachtet das BWR als ideale Vorbereitung dafür.
Um 13 Uhr 35 Ortszeit beendeten die beiden Extremsegler als Sechste das Zweihand-Nonstop-Rennen around the world, das der Schweizer Bernhard Stamm und der Franzose Jean Le Cam an Bord der „Cheminces Poujoulat“ schon 3 Wochen vorher beendet und somit gewonnen hatten.
Der Start hatte am 31. 12. 2014 stattgefunden.
Beim Einlaufen im Hafen von Barcelona,...
... in Sichtweite der Kolumbusstatue, erwartet die beiden Extremsegler bereits eine applaudierende Menge von Zuschauern.
Beide wirken frisch und so gar nicht müde oder erschöpft, wie man es vielleicht erwarten könnte. Mit fast schon stoisch-abgeklärter Miene legen sie am Steg an, lassen die Willkommensansprache, die Preisverleihung, und sogar die Champagnerdusche über sich ergehen.
Gleich im Anschluss an die Zeremonie gibt es eine Pressekonferenz, bei der Jörg und Sebastian aufmerksam die Fragen der anwesenden Journalisten beantworten. Nach den obligatorischen Pressefotos ziehen sie sich im ganz kleinen Kreis in einen Nebenraum zurück zu ihrem ersten „richtigen“ Mittagessen nach dreieinhalb Monaten der Fertiggerichte.
Auch beim Essen wird einfach nur locker geplaudert. Keinesfalls kommt ein „Gott-sei-Dank-wir-sind-endlich-da“-Gefühl auf. Es ist fast wie alltäglich – kein Zeichen von Strapazen oder Erschöpfung, trotz der enormen Leistung! Jörg Riechers könnte auch grade nach einem normalen Bürotag am Schreibtisch nach Hause gekommen sein, um mit seinen Co-Skipper, seiner Partnerin, dem PR-Manager und, als Gast, mit dem Journalisten Hans Mühlbauer, zu Mittag zu essen.
Vorab noch frisch gepresster Orangensaft – sein erster Wunsch – und dann: Feierabend!
Das Boot:
Eine IMOCA 60 - 18,29 Meter (60 Fuss) lang, maximal 4,5, Meter breit, und mit maximal 29 Meter Masthöhe. Das, und eine Reihe von Stabilitätsregeln, sind die wenigen Parameter, mit denen die Konstrukteure gemeinsam mit den Crews arbeiten können, um das Optimum aus Seetauglichkeit, Geschwindigkeit, Ergonomie und Kosteneffizienz zu erreichen.
Das Produkt ist schließlich eine nur 8 bis 9 Tonnen leichte Yacht, geschaffen für die harten Bedingungen, bei jedem Wetter, in allen Weltmeeren.
Das Rennen:
Eine Zweiercrew segelt auf extremen High-Tech-Yachten, den IMOCA 60, ab Barcelona ohne Stopp von West nach Ost rund um die Welt.
Die Route:
Von Barcelona nach Barcelona – ein Mal rundum – auf der so genannten Drei-Kap-Route durch Atlantik, Indischen Ozean und Pazifik.
Die drei Kaps – Kap der Guten Hoffnung, Kap Leeuwin und Kap Hoorn bleiben jeweils an Backbord.
Einige „Gates“, die passiert werden müssen, sind aus Sicherheitsgründen zusätzlich eingebaut, damit die Boote nicht die kürzeren Südrouten nehmen und dann in die gefährliche Treibeiszone vorstoßen.
Die Verpflegung:
25 verschiedene Gerichte stehen zur Auswahl. Alle sind sie gefriergetrocknet, um so wenig Gewicht als möglich mit an Bord zu nehmen.
Nur mit Wasser, das aus einem Watermaker kommt, werden sie angerichtet und dann heiß oder kalt serviert. Es gibt gekochtes Fleisch ebenso wie Pasta Carbonara und Reisgerichte, bis hin zu Desserts.
Um Geschirr und Abwasch zu sparen kommt meist das Wasser direkt in die Essenstüte, die gleichzeitig als Teller dient.
Die Probleme:
Kritische Situationen während der gut drei Monate auf See gab es genug:
Das eine Ruderblatt war gebrochen, vielleicht durch eine Kollision mit einem Gegenstand, oder durch zu hartes Pushen. Das Boot wurde unsteuerbar und schoss immer wieder unkontrolliert in den Wind. Dies zwang zu einem Reparaturstopp in Neuseeland..
Generatorausfall mitten im Atlantik, so dass nur noch die kleinen Schleppgeneratoren ein wenig Strom für das nötigste Equipment lieferten – Solarzellen waren nicht an Bord. Erst nach Tagen konnte der Generator wieder überredet werden seinen Dienst wieder aufzunehmen.
Dann gab es Probleme mit Beschlägen, mit Segeln, Leinen… eigentlich mit so ziemlich allem, was irgendwie kaputtgehen kann.
Die Crews: 16 Segler in 8 Booten waren es am Start.
Schon in der frühen Phase des Rennens musste Hugo Boss wegen Mastbruch ausscheiden, so dass nur noch sieben Boote das Race beendeten.
Rank | Boat | ||||||||||||||||||
1. | Cheminées Poujoulat | Jean Le Cam | FR | Bernhard Stamm | Swiss | ||||||||||||||
2. | Neutrogena | Guillermo Altadill | ES | Jose Munoz | Chile | ||||||||||||||
3. | GAES Centros Auditivos | Gerard Marin | ES | Anna Corbella | ES | ||||||||||||||
4. | One Planet, One Ocean / Pharmaton | Didac Costa | ES | Aleix Gelabert | ES | ||||||||||||||
5. | We Are Water | Bruno Garcia | ES | Willy Garcia | ES | ||||||||||||||
6. | Renault Captur | Jörg Riechers | D | Sebastian Audigane | FR | ||||||||||||||
7 | Spirit of Hungary | Nandor Fa | Hun | Conrad Colman | NZ | ||||||||||||||
Ausgeschieden | Hugo Boss | Pepe Ribes | ES | Alex Thomson | UK | ||||||||||||||
Das Finale:
Trotz aller Widrigkeiten absolvieren Jörg Riechers und sein erfahrener Co-Skipper Sebastian Audigane das Barcelona World Race souverän und mit Bravour! Sie reparieren sich um die Welt, aber genau das macht dieses harte Rennen so spannend:
Es gewinnt nicht, wer nur taktisch der Beste ist, oder wer das schnellste Boot segelt, sondern derjenige, der die allgegenwärtigen Probleme an Bord am Besten in den Griff bekommt – technisch wie psychologisch.
Das ist den beiden prima gelungen.
Autor Hans Mühlbauer war als Korrespondent beim Zieleinlauf vor Ort...
... und konnte sich mit Jörg Riechers beim gemeinsamen Mittagessen unterhalten. Hier seine Eindrücke:
HM: Was war der beste Moment der Tour?
JR: Kap Hoorn – weil ich in dieser Extremsituation – Windböen bis über 70 Knoten und haushohe Wellen – erkannt habe, dass ich Herr der Lage bin, dass ich kontrolliert bei der Sache bin und die Situation beherrschen kann. Ein wichtiger Punkt für die Vendèe Globe, wenn ich dann alleine in diesen Gewässern unterwegs bin, und sie meistern muss.
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